0%
Get in touch
Get in touch

Ein Holz, das lebt

Cover Image for Ein Holz, das lebt

Sie duftet aromatisch, überzeugt durch warme Farbtöne, entspannt und verwandelt sich in Dosen und Äpfel. Die Zirbe ist ein Alleskönner.

Wenige Minuten dauert die Fahrt von Bozen bis ins Sarntal. Ein schmaler Weg führt von der Hauptstraße mitten in den Wald hinein. Kaum sichtbar zwischen den Bäumen liegt die Drechslerei Fritz. Nach mehrmaligem Klopfen betrete ich sie. Ein harziger Duft erfüllt die Werkstatt, Holzstämme reihen sich aneinander, Holzspäne wirbeln durch die Luft. Drechsler Fritz Unterkalmsteiner aus dem Sarntal bearbeitet Zirbenholz bereits ein Leben lang. Mit gezielten Handgriffen gibt er dem Holz auf der Drechselbank eine neue Form, ein neues Leben. Es ist ein weiches Holz, das sich leicht bearbeiten lässt. Damit eine Vase jedoch rund und nicht oval wird, muss man die Eigenschaften der Zirbe ganz genau kennen. Fritz arbeitet gerade an der Drechselbank. Als er mich sieht, schaltet er die Maschine aus. Er klopft auf das Objekt, das gerade entsteht. „Das ist Zirbenholz“, sagt er.

In Südtirol gibt es 372.000 ha Wald, 22.000 ha davon bestehen aus Zirben

Die Zirbendose

Als Fritz zwölf Jahre alt war, hatte er zum ersten Mal eine Zirbendose in der Hand. Er war fasziniert davon und entschied, eine Ausbildung beim einzigen Drechsler des Tales zu machen. Da die Drechselbank meist vom Lehrmeister oder einem älteren Lehrling besetzt war, bastelte er sich einfach eine eigene. Mit 22 eröffnete er dann seine eigene Werkstatt. Seine Augen funkeln, als er davon erzählt. Seit einiger Zeit bin ich nun in Fritz’ Werkstatt, gewöhnt an den intensiven Holzgeruch habe ich mich noch nicht. „Das Zirbenholz duftet über Jahrzehnte intensiv“, erklärt er. Grund dafür ist der hohe Gehalt an Inhaltsstoffen, die eine toxische Wirkung gegenüber schädlichen Pilzen und Bakterien haben.

Die Königin der Alpen

Die Zirbe ist im Sarntal weit verbreitet. Sie wächst zwischen 1500 und 1800 m Meereshöhe, direkt an der Baumgrenze. Wie kein anderer Baum trotzt sie dem rauen Klima des Hochgebirges und hält Fröste unter minus 40° C aus. Sie lässt sich nicht aus der Ruhe bringen und wird auch deshalb die „Königin der Alpen“ genannt. Ich schließe kurz die Augen und stelle mir vor, wie der Wind sanft durch die vielen Zirbenbäume weht, welche eine Höhe von 20 m erreichen können.

Ein Baum voller Leben

Die Holzstämme, die ordentlich vor der Werkstatt stehen, sehen in meinen Augen alle gleich aus. „Dieser hier ist bereits getrocknet, die weiter hinten noch nicht“, erklärt Fritz und zeigt auf den Baumstamm vor uns, „einen Zentimeter links, einen rechts trocknet der Stamm pro Jahr. Ein 10 Zentimeter dicker Stamm benötigt deshalb fünf Jahre, um zu trocknen.“ Wenn er zu früh bearbeitet wird, entstehen Risse und er verzieht sich. Geschlagen wird das Holz bei abnehmendem Mond im Winter, dann hat es keinen Drehwuchs, eine innere Verdrehung des Stammes.

„Holz fällen kann ich jeden Tag. Ich muss nur wissen, was ich danach damit machen will“, erklärt Fritz Unterkalmsteiner.

Der Holzapfel

Noch kann ich mir nicht vorstellen, wie aus einem Holzstamm ein Apfel gemacht wird. Fritz geht nach draußen, sucht einen Baumstamm aus und schneidet ein Stück davon ab. In wenigen Minuten wird er einen Holzapfel daraus machen. Ich beobachte ihn beim Drechseln. Seine Handgriffe sind gezielt, er ist konzentriert. Erneut wirbeln Holzspäne durch die Luft.

Was die Großeltern bereits wussten …

„… hatte unsere Generation zwischenzeitlich wieder vergessen: Die Zirbe hat wohltuende Effekte“, erklärt Fritz. Bewiesen wurde dies durch eine Studie der Universität Graz, die von 2005 bis 2007 durchgeführt wurde. Seit einigen Jahren steigt erneut das Interesse nach Zirben-Produkten. Ich nehme ein Stück in die Hand, streiche über die Rinde, rieche daran. „Im Holz, Harz und in den Nadeln finden sich wertvolle Aromen, die zum allgemeinen Wohlbefinden beitragen. Sie verhelfen zu einem erholsamen Schlaf, verlangsamen den Herzschlag und regulieren den Kreislauf“, erklärt Fritz. „Zudem werden die Atemwege gereinigt. Die beruhigende Eigenschaft des Holzes kann auch bei starken Kopfschmerzen helfen.“ Er öffnet eine mit Zirbenspänen gefüllte Dose und lädt mich ein, daran zu riechen. Es ist eine Schlaf-Gut-Dose.

Holzäpfel wird Fritz dieses Jahr noch einige machen, diesen darf ich jedoch mitnehmen. Herzlich verabschiedet er sich von mir. Ich fühle mich gut und entspannt. Zu Hause angekommen, werde ich den Apfel auf den Nachttisch stellen und hoffentlich gut schlafen.

In freundlicher Zusammenarbeit mit der Storytelling-Plattform “Was uns bewegt” von IDM Südtirol. www.wasunsbewegt.com

click