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Drei… Viere… heibm!

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Der Raum erfüllt mit Zigarettenrauch, irgendwie muffig und doch vertraut, ein uriger Keller mit alten zerbeulten Holztischen und die Wände aus Stein werfen das Gelächter der Gäste zurück in den Raum. An einem Tisch sitzen vier Männer im traditionellen blauen Schurz und mit karierten Hemden in unterschiedlichen Farben. Es herrscht konzentrierte Stimmung, zwischendurch geht ein Murmeln reihum, jeder blickt angestrengt in seine Karten. Dann werden die Karten plötzlich energisch in die Tischmitte geworfen. Fast kann man den Aufprall einer jeden einzelnen wie den Knall eines Feuerwerks hören. Es wird lauter und unruhig am Tisch, es wird diskutiert, und gelacht bis einer der vier die Karten von der Mitte des Tischs auf seine Seite kehrt und wieder bedächtiges Schweigen eintritt.

Bis auf den Zigarettenrauch, der heute kaum noch in einem Lokal in Südtirol solche dicken Nebelschwaden zieht, ist dies ein bekanntes Bild für viele Südtiroler. Es ist der fesselnde Viererwatter, der seit Generationen die Menschen zusammenbringt und immer wieder für spannende Nachmittage und Abende sorgt. Nicht nur die Geselligkeit und das ein oder andere gemeinsame „Glasl“ spielen dabei eine Rolle. Das Watten hat im deutschsprachigen Raum rund um Südtirol, Bayern, Österreich und der Schweiz eine langjährige Tradition und fast überall kann man Jung und Alt, Frauen und Männer bei diesem Spiel beobachten. Von der Oma oder dem Opa gelernt, wird es stets weitergegeben, und beinahe in jedem Tal oder Bezirk gibt es besondere Regeln und Varianten.

Der „Feiertags-Watter“ in der Bauernstube.

Doch eigentlich ist es viel mehr als nur ein Spiel oder eine Tradition. Wer einmal damit angefangen hat, kommt kaum mehr los von der Faszination, die jenes sogenannte „Salzburger Blatt“ ausübt. Es ist fast wie Poker – strategisch, manipulativ – und Spieler mit einem hohen Maß an Menschenkenntnis und Gerissenheit haben fast immer die Nase vorn. Es geht weniger um die Karten selbst, ob man ein gutes oder schlechtes Blatt in der Hand hält, sondern vielmehr um die Art zu spielen, wie man es schafft, aus dem Gegebenen die beste Runde zu erzielen und vielleicht sogar ein wenig zu bluffen, um die Gegner aus der Reserve zu locken.

Nun, wie funktioniert dieses Spiel, das sich so tief in den Herzen der Südtiroler verankert hat und schon beinahe zum unabdingbaren Kulturgut geworden ist?

Zu den Spielkarten

Das Salzburger Blatt oder auch die Einfachdeutschen Karten sind in vier gleichrangige Farben unterteilt: Eichel, Laub, Schell und Herz. Zu jeder Farbe gibt es acht Karten im Zahlenwert von sieben bis zehn und höherrangige Karten mit Unter, Ober, König und der Ass als die Karte mit der höchsten Stichkraft. Gespielt wird Watten in Südtirol üblicherweise mit 33 Karten, daher kommt noch der sogenannte Weli, der Schell-Sechser in den Stapel.
So wie schon der Name des Spiels aus dem italienischen „battere“ (schlagen, klopfen) kommt, so wird auch der Name des Weli aus dieser Sprache hergeleitet, und zwar wird diese
Karte dort „Belli“ genannt (die Schönen).

Gut gedeutet, ist halb gewonnen.

Spielregeln
Zuallererst muss man wissen, dass Watten stets regionalen Abwandlungen unterliegt. Locus regit actus – das Prinzip aus der Rechtsprechung soll heißen, dass nach den Bräuchen des jeweiligen Tals, Orts oder Wirtshauses gespielt wird. Im Streitfall entscheidet der Hausherr über die geltenden Regeln. Schon das Verteilen der Karten unterliegt beim Watten einer besonderen Regel. Diese werden im (oder gegen den) Uhrzeigersinn verteilt, erst zwei, dann drei Karten oder umgekehrt. Anschließend kommt das „Ansagen“, beim klassischen Watten sagt die Vorhand, also der Spieler, der die ersten Karten erhalten hat, den Schlag an, z.B. Neuner. Der Geber ist nun an der Reihe, die Trumpffarbe anhand des gewählten Schlags zu sagen, z.B. Schell. Der Schlag in der Trumpffarbe, in diesem Beispiel also der Schell-Neuner, ist nun für dieses Spiel die höchste Karte und sticht auch die übrigen Schläge. Sie wird auch „der Rechte“ genannt und kann lediglich vom „Guten“ (Guatn) gestochen werden, der um einen Wert höher ist als der Rechte.

Daraus ergibt sich in unserem Spielbeispiel folgende Rangordnung:

  • Schell-Zehner (der Gute)
  • Schell-Neuner (der Rechte)
  • Die drei übrigen Neuner (die Blinden)
  • Die übrigen Schell-Karten
  • Die restlichen Karten

Ein gutes Blatt bedeutet noch keinen Sieg.

Die beste Kartenkombination eines Spielerpaars nennt sich das „aufgelegte Spiel“ und besteht aus dem Guten, dem Rechten und einem Blinden, es ist sozusagen der Royal Flush des Wattens.
In Südtirol wird heutzutage allerdings kaum noch offen gewattet, wobei der Schlag und die Trumpffarbe laut am Tisch verkündet werden (außer bei Turnieren wie dem beliebten Preiswatten). Beim Blind-Watten oder Ladinisch-Watten wissen nur zwei Spieler von Anfang an, welche Farbe Trumpf und was der Schlag ist. Diese werden im Geheimen nach dem Verteilen der Karten gezeigt, und für die anderen beiden Spieler verläuft das Spiel im Ungewissen, denn es wird auch nur der erste Stich offen ausgelegt. Der Rest ist üben, ausprobieren, raten und so mancher lustige Moment. Bei dieser Variante ist vor allem das Kombinationsgeschick des Partners gefragt und es erhöht das Risiko, auch mit dem „aufgelegten Spiel“ zu verlieren.

Die Gebote der Wattkultur

  1. Reden ist erlaubt, Deuten ist verboten – dennoch halten sich nicht alle daran.
  2. Wer bluffen und geschickt bieten kann, der hat die Nase vorn.
  3. Es spielen zwei Spielerpaare zusammen, die sich kreuzweise gegenübersitzen.
  4. Ziel des Spiels ist es, pro Paar drei Stiche zu erzielen, das gibt zwei Punkte. Wenn geboten wurde, auch mehr.
  5. Beim Blind-Watten wird nicht angesagt, sondern nur angezeigt. Der Geber und die Vorhand zeigen einander die Wunschkarte verdeckt. Die Partner bleiben im Dunkeln und müssen Schlag und Trumpf erraten.
  6. Schönere (Schianere!): Dieser Ausruf ist die Bitte eines Ansagers an den Anderen, die Karten neu zu verteilen.
  7. Schlagtausch: Der Schlagansager (der offenbar viele gleiche Trumpfkarten, allerdings keine gleichen Schläge auf der Hand hat) bietet dem Trumpfansager einen Tausch an.
  8. Die Vorhand (der Schlagansager) wirft die erste Karte aus und die Runde geht im (oder gegen den) Uhrzeigersinn weiter. Auch die Rolle des Gebers und damit auch jene der Ansager wechseln in die selbe Richtung.
  9. Wer den Stich gemacht hat, beginnt die nächste Runde und spielt die erste Karte aus. Damit alle Spieler erahnen, welche Karten stichfest sind, bleibt der erste Stich offen am Tisch liegen.
  10. Wenn sich ein Spielerpaar siegessicher fühlt, dann werden Drei geboten. Die Gegner müssen sich nun überlegen, ob sie das Gebot halten (heben) oder passen (gian).
  11. Gehen die Gegner, ist die Runde zu Ende und den Bietern werden zwei Punkte gutgeschrieben.
  12. Heben die Gegner das Gebot, so werden Können und Karten unter Beweis gestellt. Es kann aber auch noch spannender gemacht werden, indem man sich gegenseitig weiter hochbietet.
  13. Die Partie gewinnt, wer zuerst 15 oder 18 Punkte erreicht hat.
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