0%
Get in touch
Get in touch

Eiskalt baden gehen: ein Traum

Cover Image for Eiskalt baden gehen: ein Traum

Baden im eisigen Wasser oder gar einige Bahnen schwimmen – dieses bitterkalte Vergnügen erfreut sich auch in Südtirols Badeseen immer größerer Beliebtheit. Körper, Geist und Seele profitieren gleichermaßen vom Eintauchen in die winterlichen Fluten.

Allein der Anblick der idyllisch gelegenen Badeseen Südtirols im Winter ist ein märchenhaftes Erlebnis: Die magische Ruhe, die die Schneedecke über Bäume, Schilf und Wege zaubert, ist für sich schon einzigartig. Mittlerweile gibt es immer mehr Abenteuerlustige, die sich aber nicht mit diesem Anblick oder mit einem ebenso reizvollen Spaziergang rund um das gefrorene Nass begnügen, sondern tiefer eintauchen in diese Erfahrung.

Ganz Mutige, wie im Bild Paul Dalsass, springen direkt in die eisigen Fluten.

Am herrlich in mediterranen Mischwald eingebetteten Montigglersee in Eppan etwa findet sich regelmäßig eine Truppe ein, die hier nicht etwa eislaufen oder Eisstockschießen möchte, sondern eintauchen in die klirrende Kälte des Sees – ohne Taucheranzug, in normaler Schwimmbekleidung, versteht sich.

„Es beginnt schon mit der Überwindung, überhaupt hineinzusteigen in das Wasser“, sagt einer der Männer, die dieser Faszination erlegen sind. Dann heißt es, mit dem Kälteschock zurechtzukommen: Der Körper schaltet umgehend auf Notbetrieb – es geht nur darum, richtig zu atmen und nicht zu hecheln. „Das ist ähnlich wie beim Yoga, der Fokus liegt darauf, Atmung und Bewegung zu koordinieren“, erklärt der Bozner, der erst seit einem Jahr regelmäßig im eisigen Nass schwimmt – so lange, wie es eben möglich ist.

Der Effekt danach, beim Herauskommen, ist körperlich eine starke Erwärmung und ein gewaltiger Adrenalinschub. „Der Kick und die positiven Emotionen, die man dadurch erfährt, sind nicht sofort weg, die Wirkung hält über Stunden an“, erzählt er, auch Arbeitsmeetings seien danach einfacher und angenehmer.

Die Emotionen, die hochkommen, wenn man sich einmal durchgerungen hat, sind unvergleichlich – und die Glücksgefühle gleichen einem Rausch. Mit dem Unterschied, dass der Effekt sich positiv auf das Leben derer auswirkt, die dieser Leidenschaft frönen – was übrigens wissenschaftlich erwiesen ist. Psychologen empfehlen regelmäßiges Baden in kaltem Wasser bei Depressionen.

Auch der Genuss der zauberhaften Ästhetik der Winterlandschaft gehört zum Gesamterlebnis dazu.

Begonnen mit dem Eisschwimmen im Montigglersee hat übrigens Paul Dalsass, in Eppan ansässig – und das bereits vor über 20 Jahren. Der Hype, der derzeit um dieses Thema gemacht wird, ist nicht seines: „Das Eisschwimmen wird richtiggehend verherrlicht und großgemacht. Dabei geht es um ganz etwas anderes: Es geht um das Erlebnis als Ganzes, um die Ruhe der Natur, den Nebel auf dem See, den man beim Auftauchen sieht, und so die äußeren Bilder zu inneren werden lässt“, erzählt er. Um diese Erfahrung wirklich zu begreifen, muss man sie wohl erleben.

Er selbst, Leistungsschwimmer, zigfacher Italienmeister und Olympiateilnehmer, merkte, dass er etwas brauchte, das seiner Psyche guttut, abseits von Leistungs- und Erfolgsdenken. Im Sommer sucht er sich Bergseen aus und im Herbst und Winter geht es drunten im Tal los.

Heute trifft er sich regelmäßig mit Gleichgesinnten und springt direkt ins kalte Wasser. „Das, was wir machen, ist nicht aus dem Lehrbuch und auch nicht für jeden möglich“, weiß er. Mittlerweile gibt es zahlreiche Ratgeberbücher und Methoden, um das Eisschwimmen und –baden möglichst schonend und sicher anzugehen. Allen voran gibt es spezielle Atemübungen, die vor dem Ins-Wasser-Gehen befolgt werden sollen. Für Anfänger sei diese Methode durchaus empfohlen, Dalsass hält sich lieber an sein Gefühl: „Ich beobachte meinen Körper ganz genau und reagiere darauf.“ Denn auch für einen erfahrenen Eisschwimmer wie ihn bleibt der Kälteschock nicht aus. „Der ist jedes Mal da“, weiß er. Tief atmen und bewusst bewegen lautet die Devise. Von wenigen Minuten bis zu maximal einer halben Stunde, je nach Wassertemperatur und eigenem Befinden, bleibt man im eisigen Nass.

Paul Dalsass aus Eppan ist Pionier im Eisschwimmen in Südtirol.

Das Besondere ist das Sein im Moment, das Sichbesinnen-Müssen auf genau den Augenblick, der für die Seele und den Geist moderner Menschen so heilsam ist. Gestresste Manager, Unternehmer, ehrgeizige und viele andere Menschen finden hier zu sich und zur inneren Ruhe. Die Stimmung nach dem Eisbad ist durch die Adrenalinausschüttung großartig, es geht lustig zu in der Truppe. „Die Gespräche bekommen eine andere Art von Tiefe“, erzählt Dalsass.

Neben dem Eisschwimmen gibt es auch das Eisbaden, für diejenigen, die es vielleicht etwas sanfter angehen lassen wollen: In diesem Fall steigt der Badende in ein eigens in den See geschnittenes Loch und bleibt dann je nach Möglichkeit und körperlicher Verfassung im eisigen Wasser.

Gut für den Körper – gut für die Psyche – aber immer in Sicherheit

Regelmäßiges Schwimmen und Baden im Eis haben ähnlich positive Effekte für den Menschen: Anspannung und Müdigkeit lassen nach, Hormon- und Herz-Kreislaufsystem werden unterstützt, wie Studien ergaben. Auch Besserungen bei Asthma, Rheuma und Fibromyalgie gaben Studienteilnehmer an. Allerdings braucht es entweder die entsprechende Vorbereitung oder die Begleitung durch Experten, damit dieses Vergnügen in Sicherheit ausgeübt werden kann, gerade von unerfahrenen Menschen.

Da sich nicht jeder allein in die Eiseskälte wagen mag, oder sich gern von jemand Erfahrenem begleiten lässt, gibt es mittlerweile auch einen Guide, den man buchen kann zum gemeinsamen Eisbad: Philipp Schraut, seines Zeichens Wanderführer und Erlebnispädagoge, der in Partschins lebt, hat bereits Menschen quer durchs Land bei diesem Abenteuer begleitet und ihnen schöne Plätze gezeigt: Der Felixer Weiher, der Pragser Wildsee sind nur einige der Orte, wo es ihn allein oder mit seinen Gruppen hinzieht. Mittlerweile sind die geführten Eisbäder überaus gefragt.

Tipps für Neugierige

– Eisbaden und Eisschwimmen ist nur für körperlich gesunde Menschen geeignet,

nicht bei Herz- oder Kreislaufproblemen.

– Wichtiger als alle Regeln ist, auf den eigenen Körper zu hören.

– Als Faustregel gilt: Pro Grad Wassertemperatur erhöht sich die Badezeit um 1 Minute, also bei 3 °C kaltem Wasser sollte man nicht länger als 3 Minuten im Wasser bleiben. Für erfahrene Schwimmer kann sich die Zeit erhöhen.

– Um mit den extremen Körperreaktionen umgehen zu können, gilt es, sich ganz auf die Atmung zu konzentrieren und möglichst tief und gleichmäßig zu atmen.

– Als Einstieg empfiehlt es, sich langsam an das Eiswasser zu gewöhnen, etwa mit einer täglichen kalten Dusche.

Es gibt eine wissenschaftlich anerkannte Methode, die „Wim-Hof-Methode“, mit einer speziellen Atemtechnik, mit der der Körper vor dem Eisbad mit besonders viel Sauerstoff angereichert wird, um so besser mit Kälte, aber auch mit Hitze umgehen zu können.

click