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Den Flow im Visier

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Mit Spitzhacke und Rechen streift ein ungewöhnlicher Arzt bei seiner täglichen Visite durch Wald und Wiesen der Gemeinde Latsch. Trail Doctor Gabriel Tappeiner kümmert sich um die Wehwehchen der Wanderwege und Biketrails.

Hacke und Rechen, das sind die wichtigsten chirurgischen Instrumente für die Arbeit der Traildoctors.

Gut, dass Gabriel Tappeiner zu den Menschen gehört, die lieber draußen sind als drinnen. Für seinen Job ist das auch eine der wichtigsten Voraussetzungen: Stundenlang läuft er jeden Tag das Wegenetz von Latsch ab und sorgt dafür, dass beschädigte Abschnitte sofort wieder in Schuss sind. Eigentlich ist Gabriel Apfelbauer. Früher arbeitete er nebenher als Bike-Guide. Als der Tourismusverein als Weg-Instandhalter immer öfter bei ihm anfragte, ob er nicht hier und dort einen Weg herrichten könne, kam er ins Grübeln: „Irgendwann habe ich mir gedacht, entweder ich lasse es ganz oder ich mache eine Firma daraus.“ 2015 gründete Gabriel die „Traildoctors“. Seither sind er und sein Team für die Langzeitpflege der 180 km Wanderwege und weiteren knapp 40 km Biketrails in der Gemeinde Latsch zuständig.

Der Weg ist sein Ziel

Seinen täglichen Kontrollgang macht der Wegewart am liebsten zu Fuß, von unten nach oben. Wäre es nicht schneller, mit dem Rad die Strecke hinunterzufahren? „Beim Biken glaube ich, dass alles passt. Zu Fuß hingegen sehe ich viel besser, was zu tun ist“, erklärt Gabriel. Er muss nämlich genau hinschauen: So manches am Weg, was den Wanderer nicht weiter stört, kann für einen Mountainbiker sehr gefährlich werden, weiß Gabriel, „etwa nach einem Unwetter, wenn der Regen die Kurven ausspült, oder herausstehende Wurzeln.“ Kleine Mängel kann er gleich beheben, bei größeren Schäden macht Gabriel Fotos und schickt seine Mitarbeiter hin, die mit dem passenden Werkzeug anrücken und den Wegabschnitt wieder in Stand setzen. Etwa alle drei Wochen werden die Strecken von Gabriel und seinen Mitarbeitern nachgebessert; wenn es viel regnet, auch öfter.

Mit dem Rad durch den Vinschgau

Hier, mitten im Wald, erinnert mich der Wegewart mit seinen grünen Augen, dem roten Bart und seinem Werkzeug in der Hand, an die fleißigen Heinzelmännchen, die bei Nacht ihre Arbeit verrichten, damit am nächsten Tag wieder alles perfekt ist. Oder haben Sie sich je gefragt, wie die Instandhaltung der Wander- und Radwege funktioniert?

Sobald im Frühjahr der Schnee am Vinschger Sonnenberg zu schmelzen beginnt, rücken die Traildoctors aus und bringen die Wege für die neue Saison in Schuss. Das heißt: Gras abmähen, Äste und Steine aus dem Weg räumen, Kurven neu modellieren, Mauern befestigen, Müll aufsammeln, Schilder montieren und Wegmarkierungen auffrischen. Dann geht es auf der anderen Bergseite, am Nörderberg, weiter.

Der Pfad-Finder

Gabriel arbeitet am liebsten ohne Skizzen oder Pläne: „Ich habe die Trasse genau im Kopf”, sagt er. Die Strecke wird angezeichnet und Etappe für Etappe den Mitarbeitern erklärt, die dann baggern, pickeln, schaufeln, Wurzeln ausreißen, Brücken und Kurven bauen und Drainagen legen. Für einen Kilometer neuen Weg arbeiten die Traildoctors circa zehn Tage – falls sie mit dem Kleinbagger arbeiten können. Für händisch gepickelte Streckenabschnitte benötigen sie etwa dreimal so lange.

Als wären sie immer schon dagewesen, so sollen die neuen Wege aussehen, wenn die Traildoctors ihre Arbeit beendet haben. Das liegt Gabriel besonders am Herzen. „Ein neuer Weg ist stets ein Eingriff in die Natur, das ist ganz klar. Wir versuchen immer, den Weg so natürlich wie möglich zu gestalten“, erklärt er.

Geteilte Freud‘

Viele Wanderwege in Südtirol dürfen von Wanderern und Bikern gemeinsam genutzt werden. „Ich finde nicht, dass es überall getrennte Wander- und Bikestrecken braucht. Eine gemeinsame Wegenutzung ist mit dem nötigen gegenseitigen Respekt reibungslos möglich“, meint Gabriel, „aber auf den Wegen, wo richtig viel los ist, macht es auf jeden Fall Sinn.“

Die Devise: Wege sollen so natürlich wie möglich angelegt werden.

Wer bremst, ruiniert den Flow

Und dann ist da noch das Image der Biker. „Die Leute glauben, die Mountainbiker würden immer voll runterschrepfen“, also bremsen, „dabei fährt nur ein kleiner Bruchteil der Biker Downhill. Die meisten lassen sich Zeit, halten an, setzen sich auf eine Bank und genießen die Landschaft“, weiß Gabriel aus Erfahrung.

Also nichts mit Vollgas und Vollbremsung? Der ehemalige Bike-Guide schüttelt den Kopf: „So fährt man eigentlich gar nicht.“ Im Gegenteil: Beim Trail bauen ist es sogar so, dass „der Weg so geplant wird, dass man möglichst wenig bremsen muss. Statt steiler Abfahrten ziehen wir lieber weite Kurven“, erklärt der Weg-Bauer, „das ist sicherer und es macht mehr Spaß, wenn man nicht dauernd so verkrampft am Bike sitzt.“ Auch für die Instandhaltung ist es weniger aufwändig, denn wo viel gebremst wird, entstehen Bremswellen und Erosionsschäden. „Mittlerweile ist das bei den Bikern angekommen“, sagt Gabriel.

Und sein persönlicher Lieblingstrail? Gabriel überlegt: „Den kann ich nicht definieren. Das hängt immer von meiner Tagesverfassung ab, manchmal ist mir lieber es geht gemütlicher zu, manchmal darf es rumpeln.“

Sobald ein Trail bereit ist, wird er vom Wegewart auf Herz und Nieren geprüft.
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